Harnstoffzyklusdefekte

Defekt: Mangel bzw. Defekt eines Enzyms des Harnstoffzyklus mit einer daraus

resultierender Akkumulation des dem Enzym vorangehenden Stoffwechselproduktes und Verminderung des nachfolgendenden Produkts.

Klinik Das klinische Bild ist bei allen Harnstoffzyklusdefekten ausgesprochen ähnlich, da dieses in erster Linie durch die Hyperammonämie geprägt ist. Generell läßt sich feststellen, das die unterschiedlichen Mutationen und somit unterschiedlichen Enzymaktivitäten eine große Variationsbreite bezüglich der klinischen Präsentation, der Intensität und des Manifestationsalters zulassen. Die Harnstoffzyklusstörungen können in eine frühe, neonatale Form und in eine späte Form eingeteilt werden. Bei den neonatalen Formen verläuft die Entwicklung des Fetus unauffällig und die Kinder werden in der Regel termingerecht geboren. Nach einer Latenzphase von ca. 24h treten die ersten Anzeichen auf, häufig in Form von Krampfanfällen. Die Säuglinge werden lethargisch, trinkschwach sowie tachypnoeisch. Zusätzlich zeigen sich eine muskuläre Hypo- oder Hypertonie, eine Hepatomegalie, die mild bis sehr ausgeprägt sein kann, und eine Temperaturinstabilität. Im weiteren rasch progredienten Verlauf, der durch den Anstieg des Ammoniaks im Blut bedingt ist, entwickeln die Neugeborenen ein Hirnödem, welches nicht selten zum Koma oder Tod führt, wenn die Diagnose nicht rechtzeitig gestellt und eine adäquate Therapie begonnen wird (siehe unten). Die Prognose dieser sehr früh symptomatisch werdenden Harnstoffzyklusdefekte ist in erster Linie von der Dauer der Hyperammonämie und der Dauer und des Grades des Komas abhängig. Mentale und psychomotorische Retardierung sind die Langzeitfolgen. Bei der späten Form, die eine mildere Symptomatik aufweist, sind Manifestationsalter vom 1. Lebensjahr bis in das Erwachsenenalter bekannt. Gedeihstörungen , häufiges Erbrechen, Diarrhoe, Lethargie, Muskelschwäche, Verhaltensstörungen, Psychosen, Verwirrungszustände nach proteinreichen Mahlzeiten und eine breit gefächerte neurologische Symptomatik, einschließlich Koma-Episoden, werden hier beschrieben. Die Arginasedefizienz hebt sich klinisch insofern von den übrigen Harnstoffzyklusdefekten ab, als dass die Hyperammonämie weniger ausgeprägt und die Symptomaik vergleichsweise mild ist. Auffallend ist hierbei die häufig vorkommende Tetraplegie mit Betonung der unteren Extremitäten und eine Abneigung gegen proteinreiche Nahrung.Eine erhöhte Valproat-Sensitivität, die zu einer schweren Hyoperammonämie führen und die Enyzmdefizienz triggern kann, wurde bei Defekten der Ornithinetranscarbamylase und der Arginase als auch der Citrullinämie beobachtet Die Ornithintranscarbamylase-Defizienz ist der häufigste der Harnstoffzyklusdefekte, die insgesamt eine Inzidenz von 1 : 25 – 30000 aufweisen.

Diagnose: Pathognomisch für alle Harnstoffzyklusdefekte sind eine ausgeprägte Hyperammonämie mit Laktatazidose oder einer respiratorischen Alkalose. Die tandemmassenspektrometrische Untersuchung der Aminosäuren im Plasma ergibt ein für den jeweiligen Enzymdefekt charakteristisches Spektrum: Carbamylphosphatsynthetase Defekt (CPS I): Citrullin ist erniedrigt, Glutamin ist erhöht. Ornithintranscarbamylase Defekt (OTC-Mangel): Citrullin ist erniedrigt, Glutamin ist erhöht. Argininosuccinatsynthetase Defekt: Citrullin ist erhöht und Argininosuccinat erniedrigt. Argininosuccinatlyase Defekt: Argininosuccinat ist erhöht, Arginin ist erniedrigt. Arginase Defekt: Arginin ist erhöht und Ornithin erniedrigt. N-AcetylglutamatsynthetaseDefekt (NAGS-Mangel): Glutamat ist erhöht, N-Acetylglutamat erniedrigt. Hyperornithinemia-Hyperammonemia-Homocitrullinuria Syndrom: Ornithin und Homocitrullin sind erhöht Der Orotsäuregehalt des Urins ist beim Ornithintranscarbamylasedefekt erhöht und hilft so bei der Differenzierung dieses Defektes vom

Carbamylphosphatsynthetase Defekt.

Therapie:Als Akuttherapie steht die Regulierung der Hyperammonämie und Laktatazidose im Vordergrund. Langzeittherapeutisch wird eine niedrig-Protein-Diät (0,7 g/kg/d bei neonatal Onset), die die essentiellen Aminosäuren ausreichend enthält, durchgeführt, um den Anfall von Stickstoff zu verhindern. Zusätzlich wird die Ausscheidung von Stickstoffprodukten über alternative Wege initiiert, was durch die Gabe von Sodiumbenzoat (240 mg/kg/d) und Sodiumphenylbutyrat (450 – 600 mg/kg/d) erreicht wird. Des weiteren wird Arginin (außer bei einem Arginase Defekt), und in schweren Fällen eines OTC oder CPS Mangels auch Citrullin substituiert (100 – 200 mg/kg/d). Bei einem NAGS wurde die erfolgreiche Substitution von Carbamylglutamat berichtet.

Vererbung:     Bei allen Harnstoffzyklusdefekten liegt ein autosomal rezessiver Erbgang vor außer bei der Ornithintranscarbamylasedefizienz, die X-chromosomal vererbt wird.

Genlokalisationen:

Carbamylphosphatsynthetase Defekt (CPS I)                                      2q35

Ornithintranscarbamylase Defekt (OTC-Mangel)                                 Xp21.1

Argininosuccinatsynthetase Defekt                                                       9q34

Argininosuccinatlyase Defekt                                                               7cen-q11.2

Arginase Defekt                                                                                  6q23

N-Acetylglutamatsynthetase                                                                bisher nicht bekannt

Hyperornithinemia-Hyperammonemia-Homocitrullinuria Syndrom        13q14