Störungen der Fettsäureoxidation (mehr Informationen siehe auch Deutsches Ärzteblatt: HTML, PDF

sind Enzym- bzw. Transporter-Defekte, die mit einer Verminderung des Abbaus kurz- mittel- oder langkettiger Fettsäuren einhergehen. Durch den Defekt stauen sich charakteristische Stoffwechsel-Zwischenprodukte in den Zellen und im Blut an, die toxische Wirkungen auf die Funktion von Gehirn, Muskulatur und Leber haben. Außerdem ist die Energiegewinnung aus Fettsäuren gestört, was sich besonders während Perioden längeren Fastens oder starker körperlicher Beanspruchung bemerkbar macht

Enzym- und Transporterdefekte:

·       Primärer systemischer Carnitinmangel (Carnitin-Transporter-Defekt)

·       Sekundärer Carnitin-Mangel

·       Short-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (SCAD)

·       Medium-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD)

·       Very-long-chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (VLCAD)

·       Long-chain-3-Hydroxy-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (LCHAD), Defekt des mitochondrialen trifunktionalen Proteins (MTP)

·       Multipler Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel bzw. Glutarazidurie Typ II (MADD, GA II)

·       Carnitin/Acylcarnitin-Translocase-Mangel (CACT)

·       Carnitin-Palmitoyl-Transferase I-Mangel (CPT-I)

·       Carnitin-Palmitoyl-Transferase II-Mangel (CPT-II)

·       2,4-Dienoyl-CoA-Reduktase-Mangel

Klinik:

·       Primäre systemische Carnitin-Defizienz (OMIM 212140)

Ursache dieser sehr seltenen Erkrankung sind Mutationen im Carnitintransporter der Plasmamembran, OCTN2. Sie führen zu einer mangelnde Aufnahme von Carnitin ins Zytoplasma von Herz- und Skelettmuskelzelle. Carnitin kann im Nierentubulus nicht mehr rückresorbiert werden und wird mit dem Urin ausgeschieden, was zu einem zunehmenden Carnitin-Verlust führt. Der resultierende „systemische“ Carnitin-Mangel im Serum und der Herz- und Skelettmuskulatur führt bereits in den ersten Lebensmonaten zu einer progressive Kardiomyopathie, Fettspeicher-Myopathie, Hypoglykämie und Hyperammonämie.

·       Sekundärer Carnitin-Mangel

Als sekundären Carnitin-Mangel hingegen bezeichnet man Zustände, bei denen Carnitin im Gefolge anderer Erkrankungen erniedrigt ist. In der Regel fallen bei diesen Erkrankungen Metabolite an, die mit freiem Carnitin zu Carnitinestern reagieren können. Sekundäre Carnitin-Mangelzustände werden beschrieben bei Organoazidurien wie auch als Folge bestimmter Behandlungsformen (z.B. Valproat-Therapie, Dialyse) oder bei Malnutrition.

·       SCAD (Short Chain Acyl-CoA-Dehydrogenase)-Defekte (OMIM 201470) sind seltene

Erkrankungen, die sich in einer schweren infantilen Form und einem milderen Phänotyp mit  vorwiegend muskulärer Affektion manifestieren und denen eine verminderte Oxidation der kurzkettigen Fettsäuren zugrundeliegt.

·       MCAD (Medium Chain Acyl-CoA-Dehydrogenase)-Defekte (OMIM 201450) sind die

häufigsten Defekte der ß-Oxidation. Sie treten in Folge von „founder“-Effekten in unterschiedlicher Frequenz in den europäischen Ländern und nordamerikanischen auf (Inzidenz 1:10.000 bis 1:100.000). Die häufigste und nur in der weißen Bevölkerung zu findende MCAD-Mutation (etwa 90%) ist ein A nach G-Austausch an Nukleotidposition 985 (A985G). Klinisch steht die hepatische Störung der Ketogenese im Vordergrund, charakterisiert durch Intoleranz gegenüber Fasten, Erbrechen, Hypoglykämie, Lethargie und Koma.

·       VLCAD- (OMIM 201475) und LCAD- (OMIM 201460) Defizienzen

Diese Defekte stellen eine klinisch meist äußerst schwer verlaufende Gruppe der b-Oxidationsdefekte dar. Sie manifestieren sich oft schon in der Neugeborenenperiode  mit Episoden von fasten-induziertem Koma. Die meisten Patienten zeigen zusätzlich eine chronische Kardiomyopathie. Da bereits der Initialschritt der b-Oxidation der langkettigen Fettsäuren gestört ist, fällt die Energiegewinnung aus Fettsäuren vollständig aus und das Energiedefizit ist entsprechend schwer.

·       Kurz-und Langketten-3-hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase Defekte

Defekte der Kurzketten-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase (SCHAD) sind selten, wogegen LCHAD-Defekte (OMIM 143450) zu den häufigsten der ß-Oxidation gehören. In frühester Kindheit auftretend sind sie gekennzeichnet durch nicht-ketotische Hypoglykämie, Kardiomyopathie und Skeletmuskelschwäche. In jüngster Zeit wurde eine Assoziation zwischen dem Vorliegen einer LCHAD-Erkrankung des Feten und dem Auftreten eines HELLP-Syndroms (hemolysis, elevated liver enzymes, low platelet count) während der Schwangerschaft erkannt, so daß es geboten erscheint, Kinder von Müttern mit HELLP-Syndrom oder Eklampsie auf einen LCHAD-Defekt zu screenen.

·       ETF und ETF:Q0 Defekte

Die Acyl-CoA-Deyhdrogenasen der b-Oxidation übertragen ihre Elektronen über ein zwischengeschaltetes „Electron Transfer Flavoprotein“ (ETF) auf das Ubiquinon (Q0) der Atmungskette.  Defekte des ETF- und ETF:Q0-Systems wurden nach älterer Nomenclatur Glutaracidurie Typ II genannt (OMIM 231675 und 231680). Neben einer fatalen Neugeborenenform kommen milder verlaufende juvenile Formen mit hypoglykämischen Attacken, metabolischer Azidose, Hepatomegalie und Muskelschwäche vor.

·       Carnitinpalmitoyltransferase-Mangel (CPT-Mangel)

CPT-Mängel unterteilen sich in einen muskulären Mangel, der die CPT II betrifft und vorwiegend im frühen Erwachsenenalter (OMIM 255110), selten auch bei Neugeborenen (OMIM 600649) auftritt, und den seltener vorkommenden infantilen hepatischen Typ, bei dem die Aktivität der Leber-CPT I vollständig fehlt (OMIM 255120). Die in der Kindheit auftretenden CPT-Mängel sind durch schwere Hypoglykämien und Hypoketonämien gekennzeichnet, der adulte CPT II-Mangel äußert sich durch eine belastungsinduzierte Rhabdomyolyse.

·       Carnitin-Translokase-Mangel (OMIM 212138)

Diese Erkrankung betrifft das eigentliche Transportsystem, das den Übertritt von Fettsäuren von der zytosolischen Seite der mitochondrialen Innenmembran in die Matrix bewerkstelligt, wo dann die eigentliche b-Oxidation stattfindet. Sie verläuft klinisch meist schwer und ist durch nicht-ketotische Hypoglykämie, Muskelschwäche und meist Kardiomyopathie gekennzeichnet.

Diagnostik:

Die Primärdiagnostik von Störungen der Fettsäure-Oxidation stellt heute die Bestimmung von freiem Carnitin und Acyl-Carnitinen im Serum mit der Tandem-Massenspektrometrie dar. Diese nicht-invasive Methode gibt in vielen Fällen bereits einen sicheren Hinweis auf das Vorliegen der Erkrankung. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Bestimmung der Enzymaktivität in Blutzellen, Hautzellen oder Muskelgewebe sowie durch molekulargenetische Bestimmung bekannter Mutationen. Gegebenenfalls kann auch eine Sequenzierung des betroffenen Gens durchgeführt werden.

Therapie und Prognose

Fettsäureoxidationsstörungen weisen durch die krisenhafte Entwicklung eines fasten-induzierten Komas ein hohes Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko auf. Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie besteht andererseits für die meisten Erkrankungen eine gute Prognose, mit Ausnahme sehr schwer verlaufender Defekte der langkettigen Fettsäureoxidation, bei denen die sich entwickelnde Kardiomyopathie häufig die Lebenserwartung limitiert. Die Therapie zielt darauf ab, fasten-induzierte Streßzustände durch eine angepaßte Ernährung zu vermeiden. Fastenintervalle sollten zwölf Stunden nicht überschreiten. Insbesondere bei interkurrenten Infektionen kann auch eine kontinuierliche kohlenhydratreiche Sondenernährung indiziert sein. Metabolische Entgleisungen erfordern eine sofortige Infusion von Glucose, wobei ein Glucosespiegel >100 mg/dl anzustreben ist. Eine hochdosierte Substitution mit L-Carnitin (100 mg/kg) ist für Kinder mit primärem systemischen Carnitinmangel lebensrettend, während ihr Erfolg bei anderen Fettsäure-Oxidationsstörungen mit sekundärem Carnitinmangel kontrovers diskutiert wird.

Vererbung:

Autosomal-rezessiv, eine pränatale Diagnose in Amnionzellen und Chorionzotten ist möglich

Update:

11/2000 Klaus